Ehemaligenbericht von Tilman Brämick, Abitur 2013
Hallo, mein Name ist Tilman Brämick, und ich habe am Herder-Gymnasium 2013 mit einem Abitur von 1,2 meine Hochschulreife erworben. Momentan bin ich Student für Mathematik und Geschichte an der HU Berlin mit dem Ziel, später einmal Lehrer zu werden. Man ahnt es schon, wer selber einmal Lehrer werden möchte, hat eine von drei Motivationen: Entweder hatte er sehr gute Lehrer, denen er nacheifern möchte, sehr schlechte, für die er sich rächen will, oder er findet ein sicheres Arbeitsumfeld mit 13 Wochen Ferien pro Jahr attraktiv. Bei mir ist es zu ganz überwiegendem Teil das erstere, und der Grund dafür war meine Oberschule. Die fachliche und pädagogische Kompetenz, die ich von der fünften Klasse an genießen durfte, sind ein großes Privileg gewesen, dessen volles Potenzial ich erst in der Rückschau komplett überblicken kann und wahrscheinlich auch heute noch nicht zur Gänze erkannt habe. Jetzt in meinem Studium kann ich natürlich langsam auch die Konzepte erkennen, die hinter dem Unterricht standen, und ich muss sagen, dass es mich immer wieder verblüfft, wie unglaublich versiert meine Lehrer eigentlich gewesen sind. Dazu vielleicht eine kleine Anekdote: Mein Mathematikdidaktikprofessor regt sich in seiner Vorlesung gerne über das Konzept der „New Math“ auf, die in den 70er-Jahren den Mathematikunterricht dominierte und Gruppentheorie als Grundlage für die Erweiterung des Zahlenbegriffes eines Kindes von den natürlichen auf die ganzen und schließlich die rationalen Zahlen nutzte. Dieses Idee schlug grundsätzlich fehl, da die Gruppentheorie als abstraktes algebraisches Konzept nichts mit der Erfahrungswelt des Kindes zu tun hatte und deshalb kaum erfasst wurde. Ich habe in der sechsten Klasse Gruppentheorie beigebracht bekommen. Nicht nur ich, sondern meine ganze Klasse scheint es gut verinnerlicht zu haben, und es war unglaublich nützlich bei der Entwicklung eines Verständnisses für Mathematik. Das spricht eigentlich für sich. Aus einer reinen Qualitätsperspektive heraus kann ich das Herder uneingeschränkt empfehlen.
Es gibt allerdings am Herder zwei Brennpunkte, nämlich die Frage nach dem sozialen Umfeld in den Klassen sowie der Frage, inwiefern leistungsschwächere Schüler auf einer Schule mit hohen Anforderungen durch einen etwas schwächeren Abiturschnitt nicht eventuell in der Zukunft Probleme entstehen können. Zum sozialen Umfeld in der ersten Profilklasse ihrer Art muss ich leider sagen, dass wir wohl die schwererziehbarsten kleinen Satansbraten waren, die man in einem relativ großen Umkreis finden konnte. Das mag wohl vor allem daran gelegen haben, dass 26 Jungs, denen die ganze Grundschule über gesagt wurde, sie seien sehr sehr gut und haben nahezu immer Recht, sich wohl notwendigerweise in die Haare kriegen müssen. Es ist deshalb bei mir auch kaum jemand als Freund über die Schulzeit hinaus erhalten geblieben, der in der 5.-10. Klasse mit mir 5 Tage die Woche in derselben Testosteronsauna verbracht hat. Im gleichen Atemzug sollte aber auch gesagt werden, dass in meiner Parallelklasse eine soziale Harmonie vorherrschte, die ich so auch nirgendwo sonst je erlebt habe, und mein jetziger Freundeskreis besteht immer noch zu einem Großteil aus Schülern dieser Klasse, von denen 2 wunderbare Mitbewohner abgeben und wohl für den Rest meines Lebens gute Freunde sein werden. Im Endeffekt sind die Interessengemeinsamkeiten später so verbindend, dass man von der Herder nicht nur mit guter Bildung, sondern auch mit tollen Menschen abgeht.
Außerdem habe ich meine ganze Schulzeit über in der Schach-AG gespielt, und bei der Teilnahme an drei deutschen Schulschachmeisterschaften hatten ich ein Teamzugehörigkeitsgefühl wie bei keiner anderen Aktivität meiner Jugend. Wer leistungsorientiert Schach spielt, wird beim Herder unparallelisierte Forderung erleben und sollte unbedingt hin. Kein Aber.
Der zweite Brennpunkt, der Leistungsdruck, ist da für mich schon deutlich schwieriger zu bewerten. Sowohl ich als auch mein Umfeld haben immer zu denen gehört, die ohne viel lernen immer noch gute Noten schreiben, und konsequenterweise hat auch niemand Probleme gehabt, seinen gewünschten Zukunftsweg einzuschlagen. Natürlich ist in jedem dieser Wege eine Herdervorbildung von unschätzbarem Vorteil, aber zugegebenermaßen nützt das nichts bei der Überwindung eines Medizin-NCs. Auch haben viele der schwächeren Schüler meines Jahrgangs vor der Oberstufe die Schule verlassen, sodass mir nicht ganz klar ist, was eigentlich passiert wäre, wenn diese ihr Abitur am Herder gemacht hätten. Dennoch denke ich aus meinem natürlich etwas beschränktem Standpunkt, dass wahres Können sich immer mehr auszahlen sollte als gute Noten und Herausforderungen immer etwas Besseres aus einem Menschen machen, unabhängig von der Güte des Bewältigens. Außerdem kriegt man am Herder dabei die beste Unterstützung, die man sich nur wünschen kann.
Sollte mich jemand fragen, ob ich nochmal aufs Herder gehen würde, wäre meine Antwort wohl schneller als Licht (Ja, Herr Friedrich, ich weiß, das geht nicht): Sofort, immer, direkt und sowieso. Wenn mich allerdings jemand fragt, ob er sein Kind aufs Herder schicken soll, würde ich ihm sagen, dass er sein Kind auf etwas vorbereiten sollte, das eine Menge Zeit in seinem Leben in Anspruch nehmen wird und wie alles, was einem am Ende viel wert ist, auch oft unglaublich entnervend sein kann. Wer sich für MINT-Fächer interessiert, sollte es unbedingt versuchen, aber eben auch wissen, dass gelegentliches Hinfallen in Ordnung ist, solange man nicht liegenbleibt.